(Skill Learning Sequence)
In der Fertigkeiten-Lernsequenz beschreibt Gordon die systematische Anleitung von Lernfertigkeiten. Er unterscheidet zwei grundsätzliche Lernprinzipien: Unterscheidungslernen (discrimination learning) und Inferenzlernen (inference learning). Die beiden Lernweisen sind im Hinblick auf das Verhältnis von Vermittlungsart und Inhalten verschiedenartig wirksam: Auf der Ebene des Unterscheidungslernens vermittelt der Lehrer sowohl den Weg des Lernens als auch die sachgemäßen Inhalte. Das Lernen durch Vor- und Nachmachen (learning by rote) steht im Mittelpunkt. Im Inferenzlernen vermittelt der Lehrer im Gegensatz dazu nur den Weg des Lernens; die Inhalte werden von den Schülern aus Erkenntnissen des Unterscheidungslernens selbstständig abgeleitet. Die vertrauten tonalen und rhythmischen Patterns des Unterscheidlungslernens bilden die Voraussetzung für selbstständiges Audiieren nicht vertrauter tonaler und rhythmischer Patterns.
Gordons Fertigkeiten-Lernsequenz ist durch einen stufenweise aufeinander aufbauenden Prozess gekennzeichnet, der vom Unterscheidungslernen zum Inferenzlernen führt. Von der Vorgehensweise des Vor- und Nachmachens werden Schüler dabei schrittweise zu eigenständigen musikalischen Denk- und Entscheidungsprozessen geführt. Sowohl im Unterscheidungs- als auch im Inferenzlernen differenziert Gordon hierarchisch angeordnete Ebenen, welche er abermals untergliedert. Innerhalb des strukturierten Gefüges sollten die Ebenen der Reihe nach erarbeitet werden. Hierbei bildet eine erfolgreich abgeschlossene Ebene den Nährboden für die nächst höhere, und es entsteht eine Interaktion zwischen den Ebenen.
Die beiden Lernprinzipien der Fertigkeiten-Lernsequenz und ihre Bezugnahme aufeinander
Die beiden Lernprinzipien Unterscheidungslernen und Inferenzlernen schließen sich nicht gegenseitig aus, sondern bedingen und intensivieren sich wechselseitig, wobei je nach Lernstadium einer der beiden Bereiche dominiert. Wird im Unterscheidungslernen ein ‚musikalischer Grundsprachschatz’ an Patterns, Melodien und Harmoniegrundtonmelodien in einer Vielzahl an Tonalitäten und Metren aufgebaut, so entfalten und erweitern Schüler im Inferenzlernen ihr erworbenes Audiationsvermögen, wobei die vertrauten tonalen und rhythmischen Patterns als Voraussetzung für selbstständiges Erlernen und Audiieren neuer Patterns dienen. Eine Verflechtung von Inferenz- und Unterscheidungslernen wird durch ‚überbrückende Lernbewegungen’ (bridging movements) gewährleistet. Die stufenweise aufeinander aufbauende Lernsequenz soll schrittweise durchlaufen werden, gleichzeitig sind jedoch zeitweilige Sprünge von Stufen des Unterscheidungslernens hin zu Stufen des Inferenzlernens (und zurück!) sinnvoll. Hierdurch wird die Motivation der Schüler gefördert und gleichzeitig eine Stabilisierung der Kenntnisse der niedrigeren Stufe erreicht. Unter Verwendung dieser ‚überbrückenden Lernbewegungen’ kann selbstständig denkender, kreativer Umgang mit musikalischen Teilaspekten bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt innerhalb des Lernprozesses stattfinden.
In der Fertigkeiten-Lernsequenz erfolgt eine systematische Anleitung von Prinzipien des Lernens und Übens. Die beiden anderen zu Beginn genannten Lernsequenzen befassen sich mit günstigen inhaltlichen Lernabfolgen.